Das neueste Werk von Aara, "Eiger", stellt den Versuch der Schweizer Black-Metal-Formation dar, sich von der literarischen Inspiration ihrer vorherigen Triade-Trilogie loszulösen und den Fokus auf die wilde, erbarmungslose Realität der Natur zu lenken. Mit dem Eiger, jenem berüchtigten 3967 Meter hohen Gipfel in den Berner Alpen, wählten sie ein imposantes Symbol – eines, das nicht nur die rohe Schönheit der Berge verkörpert, sondern auch die tödliche Faszination, die seit jeher Bergsteiger in seinen Bann zieht. Trotz dieser faszinierenden Thematik bleibt das Album im Vergleich zu seinen Vorgängern überraschend unspektakulär.

Das Konzept hinter "Eiger" ist zweifellos packend: Die Platte thematisiert den missglückten Versuch im Juli 1936, als vier junge Alpinisten auf der gefürchteten Nordwand – der „Mordwand“ – ihr Leben verloren, wahrscheinlich Opfer einer Lawine. Diese Tragödie liefert Aara eine Steilvorlage, um ihre atmosphärischen, oft melancholischen Klanglandschaften mit alpiner Wucht und tödlichem Schrecken zu verweben. Doch leider erreicht die musikalische Umsetzung nicht das Potenzial, das in der Geschichte steckt.

Nach dem Abschluss ihrer gefeierten Triade-Reihe im Jahr 2023 hätte man annehmen können, dass Aara sich zu neuen Höhen aufschwingen oder ihre Klangästhetik noch weiter verfeinern würden. Doch "Eiger" wirkt seltsam zurückhaltend, ja, fast unentschlossen. Die typischen Aara-Elemente sind zwar da: Fluss’ markerschütternde Schreie, Bergs komplexe Gitarrenmelodien, die akribisch zwischen eisigen Melodien und wütenden Black-Metal-Rasereien balancieren, und das rhythmische Drängen von J.'s Drumming. Aber diese bekannten Markenzeichen scheinen diesmal weniger in die Tiefe zu gehen und weniger zu fesseln. Es ist fast, als ob die Musik die monumentale Naturgewalt des Eigers nur von weitem betrachtet und sich nicht wirklich in die Kälte und Gefahr hineinwagt.

Die Produktion von Markus Stock verleiht der Musik eine organische, raumgreifende Qualität, die die gefrorenen Höhen der alpinen Kulisse angemessen spiegelt. Doch selbst diese makellose akustische Umsetzung kann die Tatsache nicht verschleiern, dass sich die Kompositionen auf "Eiger" oft in vorhersehbaren Bahnen bewegen. Die Lieder fließen und plätschern dahin, ohne dass sich viele Momente wirklich abheben oder einprägen. Man vermisst die elektrisierende Atmosphäre und den mitreißenden Sog, den die Band mit der Triade-Trilogie so eindringlich heraufbeschwören konnte.

Der vielleicht deutlichste Makel ist die fehlende emotionale Dringlichkeit. Es gibt hier und da Glanzpunkte, etwa wenn Bergs akustische Gitarren eine kühle, fast fragile Melodie weben, die die unerbittliche Grausamkeit des Berges spiegelt. Fluss' Performance ist kraftvoll, doch es wirkt, als kämpfe er gegen die Limitierungen der Kompositionen. Die Texte und die Heftigkeit seiner Stimme kommen nicht immer gegen die oft zu gleichförmigen Songstrukturen an. J.'s Drumming, so solide und präzise wie eh und je, leidet darunter, dass es keinen frischen Impuls erhält, um das Klanggerüst der Band auf ein neues Level zu heben.

Insgesamt ist "Eiger" keineswegs ein schlechtes Album. Es bietet die vertraute, melancholisch-epische Atmosphäre, die Aara zu einer der spannendsten Bands des modernen Atmospheric Black Metal gemacht hat. Doch gemessen an den Erwartungen, die die Band über die Jahre aufgebaut hat, bleibt dieses Werk hinter seinen Möglichkeiten zurück. Vielleicht ist es die karge Kälte des Eigers, die dieses Mal die künstlerische Flamme etwas erlöschen ließ. Man kann nur hoffen, dass Aara sich bei ihrem nächsten Abenteuer wieder zu neuer, funkelnder Intensität aufschwingen. "Eiger" ist ein Berg von einem Album, doch in diesem Fall bleibt die Gipfelerfahrung aus.

 

Albuminfo

Punkte

 

3/5

Label

 

Debemur Morti

Veröffentlichung

 

12/2024

Format

 

CD

Land

  Schweiz

Genre

 

Black Metal

 

Tracklist

01. Die das wilde Wetter fängt 9:25    
02. Senkrechte Welten 7:15    
03. Felsensang 6:16    
04. Todesbiwak 6:26    
05. Der Wahnsinn dort im Abgrund 5:33    
06. Zurück zur roten Fluh 6:54    
07. Grausig ist der Blick 5:35    
08. Alptraum 8:03