Seit mehr als einem Vierteljahrhundert wandeln Borgne auf den Pfaden des Industrial Black Metal und erschaffen Klangwelten, die ebenso abweisend wie faszinierend sind. Ihr neuestes Werk, "Renaître De Ses Fanges", ist das elfte Album der Schweizer Formation und setzt den düsteren Weg konsequent fort. Hinter Borgne steht nach wie vor Mastermind Bornyhake, der erneut fast alle Instrumente und Gesänge selbst einspielt. Lediglich Lady Kaos an den Keyboards ergänzt das klangliche Konstrukt.
Bereits der Opener "Introspection Du Néant" verströmt mit seinem ambientartigen Sound eine eisige Kälte. Doch wer hier einen ruhigen Einstieg vermutet, wird eines Besseren belehrt: "Comme Une Tempête En Moi Qui Gronde" bringt mit mechanisch präzisen Drums, hypnotischen Gitarrenwänden und düsteren Synths das volle Borgne-Erlebnis. Hier verschmelzen roher Black Metal und dystopische Maschinenklänge zu einem atmosphärischen Albtraum, der an eine Reise durch das verlassene Wrack eines im All treibenden Raumschiffs erinnert – Einsamkeit und Klaustrophobie inklusive.
Über die gesamte Spielzeit hinweg bewegen sich die Stücke zwischen kalter Raserei und schwerfälliger, schleichender Zermürbung. Stücke wie "Meme Si L’enfer M’attire Dans Sa Perdition" oder "Condamnée à Errer Dans Les Méandres" setzen auf dichte, bedrohliche Soundteppiche, während "Ils Me Rongent De L’intérieur" mit einem düsteren Ambient-Part aufwartet, der an das verstörende Echo einer verlorenen Existenz erinnert.
Musikalisch verweben Borgne ihre Industrial-Einflüsse meisterhaft mit klassischem skandinavischen Black Metal der 90er. Es sind Parallelen zu "In the Nightside Eclipse" oder "Hvis Lyset Tar Oss" spürbar, jedoch verfremdet durch maschinelles Drumming und elektronische Texturen, die an Thorns, Mysticum oder gar Ministry erinnern. Die Songs – mit einer Durchschnittslänge von über acht Minuten – sind facettenreich und voll unerwarteter Wendungen, die das Album bis zum letzten Ton spannend halten.
Interpretation der Texte:
Die Texte von "Renaître De Ses Fanges" zeichnen eine Reise durch innere Qualen, Selbstzweifel und die Hoffnung auf Wiedergeburt aus dem eigenen Leid. Bereits im Eröffnungsstück "Introspection Du Néant" wird eine düstere Reflexion über das Nichts und die eigene Bedeutungslosigkeit angestimmt. Die Themen Isolation und innere Zerrissenheit setzen sich in "Comme Une Tempête En Moi Qui Gronde" fort, das die unkontrollierbare Wut und den inneren Sturm eines gebrochenen Geistes beschreibt. Die poetischen Verse illustrieren das Gefühl, gefangen zu sein – ein ewiger Kampf zwischen Reue, Verzweiflung und dem Drang nach Befreiung.
"Même Si L’Enfer M’Attire Dans Sa Perdition" greift das Motiv der Verdammnis auf, stellt jedoch erstmals eine zaghafte Hoffnung auf Erlösung in Aussicht. Der Abstieg in den seelischen Abgrund bleibt schmerzhaft, doch aus der tiefsten Dunkelheit wächst der Wille zur Wiedergeburt. Ähnlich beschreibt "Condamnée à Errer Dans Les Méandres" den Zustand einer verlorenen Existenz, die sich durch die Ruinen der Vergangenheit bewegt, um aus den Scherben eine neue Realität zu formen.
Mit "Ils Me Rongent De L’Intérieur" taucht der Protagonist endgültig in seine eigenen Dämonen ein. Hier wird die Bedrohung durch innere Ängste und psychische Zerrüttung greifbar – die Verfolgung durch Schatten der Vergangenheit, die unaufhörlich nagen und keinen Ausweg lassen. "Dans Un Tourbillon De Douleur" beschreibt schließlich den Moment der absoluten Resignation und dennoch eine verborgene Kraft, die aus der Asche des Leidens neue Entschlossenheit schöpft.
"Un Espace Hors Du Temps" führt dieses Motiv weiter und erschafft eine Art entrückte Welt, in der sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu einer einzigen melancholischen Vision vermischen. Der Wunsch nach einem zeitlosen Raum, fernab von Schmerz und Erinnerungen, bleibt jedoch unerfüllt. Der Abschluss "Royaumes De Poussière Et De Cendre" manifestiert die ultimative Endgültigkeit – eine Reise in ein Reich, das nur noch aus verblassenden Erinnerungen und zerfallenden Illusionen besteht. Borgne erschaffen mit diesen Texten eine düstere, introspektive Reise, die den Hörer mit einem Gefühl der Schwermut und existenziellen Leere zurücklässt.
Fazit:
Borgne setzen mit "Renaître De Ses Fanges" ihre Tradition der kalten, maschinellen Klangwelten fort und liefern ein Album, das den Industrial Black Metal auf ein neues atmosphärisches Niveau hebt. Wer sich in der frostigen Leere einer mechanischen Dystopie verlieren möchte, wird hier ein würdiges Meisterwerk finden.
Albuminfo
Punkte |
3/5 |
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Label |
Les Acteurs de l'ombre |
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Veröffentlichung |
03/2025 |
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Format |
CD |
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Land |
Schweiz |
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Genre |
Industrial Black Metal |
Tracklist
01. Introspection Du Néant
02. Comme Une Tempête En Moi Qui Gronde
03. Meme Si L’enfer M’attire Dans Sa Perdition
04. Condamnée à Errer Dans Les Méandres
05. Ils Me Rongent De L’intérieur
06. Dans Un Tourbillon De Doleur
07. Un Espace Hors Du Temps
08. Royaumes De Poussière Et De Cendre