Wenn die Schatten länger werden und sich der Vorhang der Realität langsam hebt, beginnt das Spiel von Zmarlym. Ihr neues Album "Wielkie Zanikanie" ist ein Fiebertraum in Schwarz – ein Werk, das sich in die Ritzen unserer inneren Labyrinthe einschleicht, mit zersplitterten Spiegeln spielt und dabei nie den Takt verliert. Black 'n' Roll vom Feinsten, tief verwurzelt in der Tradition der polnischen Top-Liga, aber mit einer eigenen Handschrift, die versengend und verspielt zugleich ist.
Aufgenommen, gemischt und gemastert von Filip Hałucha im Heinrich House Studio zwischen 2023 und 2024, glänzt das Album mit klanglicher Klarheit und brutaler Wucht. Jedes Riff, jede Wendung im Arrangement – komponiert von Zmarlym selbst – ist wie ein chirurgischer Schnitt, der sich durch das Fleisch der Genres zieht. Black Metal? Sicher. Doch durchtränkt mit einer fiebrigen Energie, die an Proto-Punk, Post Black Metal und sogar jazzige Avantgarde erinnert. Letzteres manifestiert sich besonders im Gastauftritt von Johny Yul, dessen Saxophon wie ein schreiender Bote aus einer anderen Realität durch die Songs geistert.
Die Texte von Andrzej Kądziela sind keine bloßen Begleiter, sondern poetische Zünder. Schon der Opener bietet ein düsteres, surrealistisches Spiegelkabinett, in dem Innenwelt, Erinnerung und das Unheimliche ineinanderfließen. Die Zeilen atmen Lynch’sche Ästhetik – „Laura Palmer“ und „rote Vorhänge“ sind nicht nur Referenzen, sondern Portale in eine Anderswelt, in der Logik sich auflöst und das Gefühl das Zepter übernimmt.
Ein weiteres Stück wirkt wie eine verdrehte Kindergeschichte – allerdings eine, die in den Trümmern osteuropäischer Nachkriegskulissen spielt. Gewalt wird hier nicht inszeniert, sondern nüchtern benannt, als Alltag, der sich in naive Rituale kleidet. Es ist dieser Kontrast zwischen kindlicher Symbolik und brutaler Realität, der unter die Haut geht. Schwarzer Humor als letzter Rest Trost – oder doch als Waffe gegen das Verlorengehen?
Das Artwork von Maciej Kamuda ist eine visuelle Erweiterung des Albums: roh, psychedelisch, doch mit einer klaren Struktur – wie ein Fresko aus Asche und Blut. Die grafische Gestaltung unterstreicht die Dualität des Albums: Chaos und Präzision, Zerstörung und Kunstwille.
"Wielkie Zanikanie" ist ein Album, das nicht gefallen will – sondern verstören, herausfordern, verführen. Es ist durchdrungen von einer Innovationskraft, die nie Selbstzweck wird, sondern aus einem tiefen künstlerischen Bedürfnis erwächst. Trotz aller technischen Finesse bleibt der Sound erdig, archaisch – eine stählerne Umarmung, die kratzt und wärmt zugleich. Und ja, Zmarlym geizen nicht mit Ironie, blinzeln einem durch die Schwärze zu – wissend, dass Lachen und Weinen manchmal die gleiche Fratze tragen.
Ein Werk, das nachhallt. Nicht wie ein Echo – sondern wie ein ferner Schrei, der nie ganz verklingt.
Albuminfo
Punkte |
5/5 |
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Label |
Gods ov War |
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Veröffentlichung |
04/2025 |
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Format |
CD |
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Land |
Poland |
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Genre |
Black Metal |
Tracklist
01. Miejsca
02. Sny o lataniu
03. Idziemy w mgle
04. Ludzie schrony (2034)
05. Bunt maszyn
06. A Good Day
07. Plamy I
08. Plamy II
09. "Wielkie Zanikanie"